In Liebe, deine Lina

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Roman

List

464 Seiten

ISBN: 9783471360712

ET: 26. Oktober 2023

Roman

List

464 Seiten

ISBN:
978-3471360712

ET:
26. Oktober 2023

Romananfang InLiebeDeineLina

Inhalt

Mühlbach in der Pfalz, im 19. Jahrhundert: Die Halbwaise Lina Borger und der Kaufmannssohn Albert Lehnert sind seit langer Zeit ein innig verliebtes Paar. Auf dem Land, wo Ehen meist aus Vernunft geschlossen werden, etwas Besonderes. Als Lina schwanger wird, will Albert sie heiraten, doch seine Familie droht ihm mit Enterbung. Albert lässt Lina im Stich. Das Mädchen wird fortan im Dorf geschnitten, bekommt keine Arbeit mehr, und das Geld zu Hause reicht hinten und vorne nicht.

Ein guter Freund jedoch kommt ihr zu Hilfe: Karl Schäfer, der selbst als »Bankert« aufgewachsen ist und weiß, wie unbarmherzig die Dorfgemeinschaft mit Menschen umspringt, die sich vermeintlich schuldig gemacht haben – man strafte damals Karls Mutter, nicht ihren Vergewaltiger. Karl bietet Lina an, sie zu heiraten und die Enge des Dorfes zu verlassen. Gemeinsam mit der neugeborenen Charlotte gehen Lina und Karl nach Bremen. Doch anders als Karl sehnt sich Lina nach der Heimat zurück, nach ihren Brüdern und dem Vater. Doch bei einem Besuch kommt es zu einer folgenschweren Begegnung, die die glückliche Familie zu zerreißen droht …

Was ich noch dazu sagen möchte

Oh, viel, ganz viel möchte ich noch dazu sagen, so viel, dass alles in meinem Kopf durcheinanderschwirrt und ich nicht in der Lage zu sein scheine, das zu tun, was eigentlich mein Beruf ist: einen klar strukturierten, inhaltlich und sprachlich sinnvollen Text zu erstellen.
Manchmal passiert mir das, bei Instagram-Posts zum Beispiel ganz oft, ich brauche dafür ewig. Es kommt mir so vor, als wäre es schwieriger ein Instapost zu erstellen, als einen ganzen Roman zu schreiben. Total unfähig, denke ich dann über mich, wohl wissend, dass es nicht so ist, aber vielleicht ja doch? Nein, oder doch? Aber ich schweife ab. (Noch so eine Unart von mir, das Abschweifen! Liegt in der Familie.)
Was tue ich in diesen Momenten? Ich brainstorme, schnappe mir wahllos einen herumfliegenden Gedanken nach dem anderen und schreibe ihn auf. Und so mache ich das jetzt auch.

Es folgen alle ungeordneten Dinge, die ich zu meinem Roman noch sagen möchte:

1. Es ist ein Roman
2. Es ist die Geschichte meiner Urgroßeltern und Großeltern
3. Es ist trotzdem ein Roman
4. Meine Großmutter hieß in Wirklichkeit Emma und nicht Charlotte. (Geändert aus naheliegenden Gründen; nicht jede Hauptfigur in meinen Romanen kann Emma heißen.)
5. Klara hieß in Wirklichkeit ebenfalls Karolina. (Das hätte aber nur Verwirrung gestiftet, wenn gleich zwei wichtige Figuren denselben Namen gehabt hätten.)
6. Albert hieß in Wirklichkeit auch anders. Tatsache ist: Ich weiß gar nicht, wie er hieß. Ich weiß nur, dass seine Familie eine Schmiede und einen Laden besaß, mehr nicht. Und dass er meine Urgroßmutter geliebt hat. (Ich hätte seinen Namen übrigens auch dann geändert, hätte ich ihn herausgefunden.)
7. Fast (!) alle Einwohner in Mühlbach und auch in Bremen (sprich: die Nebenfiguren) sind fiktiv. (Bitte nicht nach Ähnlichkeiten suchen und denken „Aha! Damit ist doch sicher die und die gemeint.“ Nein. Niemand ist gemeint. Ich kannte die Leute damals gar nicht und weiß nichts über sie. Nur über meine Urgroßeltern und Großeltern weiß ich so einiges. Das ist alles.)
8. Die Hebamme allerdings hieß tatsächlich Karolina Christoffel und hat die Geburt meiner Großmutter auf dem Standesamt gemeldet, wie aus alten Unterlagen hervorgeht.
9. Es ist ein Liebesroman
10. Es ist ein historischer Roman
11. Es ist ein politischer Roman (was im zweiten Teil der Saga naturgemäß noch mehr zum Tragen kommt)
12. Meine Lieblingsfigur ist Karl. Lina natürlich auch. Und Walter. Charlotte. August. Das ist alles ziemlich eindeutig. Aber dass sich ausgerechnet Bine in mein Herz gestohlen hat, das hätte ich bei der ersten Begegnung nie für möglich gehalten.
13. Es hat mich Überwindung gekostet, über Mühlbach zu schreiben und dabei nicht den Ortsnamen zu ändern und ihn, so wie in „Fritz und Emma“ (wo es angebracht war), in einen fiktiven Ort zu verwandeln. Nein, es ist nicht irgendein Ort, es ist Mühlbach am Glan, der Ort, in dem ich aufgewachsen bin.
14. Es hat mich auch Überwindung gekostet, den tatsächlichen Ereignissen im Leben meiner Vorfahren, (die den Roman durchaus tragen und seinen Verlauf bestimmen), erfundene Szenen und Ereignisse hinzuzufügen. Es kam mir seltsam vor, bis ich mich daran erinnert habe:
15. Es ist ein Roman
16. Wie anders sollte man einen Roman über wahre Ereignisse schreiben, ohne etwas hinzuzufügen, zu ändern, Lücken zu füllen. Es muss nicht alles wahr sein, um einem Roman Wahrhaftigkeit zu verleihen.
17. Es hat mir geholfen, meiner Großmutter einen anderen Namen zu geben. Auf einmal wurden aus richtigen Menschen Romanfiguren, und mit Romanfiguren kann ich umgehen.
18. Ich habe gründlich recherchiert und war akribisch, was historische Genauigkeit angeht. (Wieviel man doch dazu lernt, wenn man historische Romane schreibt.)
19. Nochmal zurück zum Punkt: politischer Roman.
Ich bin angetreten, um einen Roman über meine Urgroßeltern und Großeltern zu schreiben, einen historischen Roman, das war klar, liegt ja in der Natur der Sache. Aber unversehens wurde mir bewusst, dass historisch unweigerlich auch politisch bedeutet. Ich weiß nicht, wie das für andere Historienschreiber ist, möglich, dass man die politische Dimension einer Zeit ausklammern kann, ich kann es nicht. Ich recherchiere und lese darüber und kann nicht anders, als den Bezug zu heute zu sehen. Kriege, die von langer Hand vorbereitet werden, um was genau zu erreichen? Mehr Macht, mehr Einfluss, mehr Kontrolle über Ressourcen? Schwanzvergleiche von Machthabern, mehr nicht. Und dazu eine verführte, ignorante, gleichgültige Bevölkerung, die nicht rechtzeitig die Notbremse zieht. Rechtzeitig!
Aber ich schweife schon wieder ab. Punkt 19 gerät aus den Fugen.
Keine Angst, es ist schon ein Liebesroman, eine Familiensaga, historisch, das alles. Aber es gilt auch: „Das Private ist politisch.“ Gestern wie heute.
20. Der Schluss, das letzte Kapitel, stand von Anfang an fest.
21. Der Cliffhänger am Ende ist im Grunde nur ein halber, denn wer im Geschichtsunterricht aufgepasst hat, weiß, was kommen wird.
22. in „Für immer, dein August“ geht es weiter.

… … Höher und höher stiegen sie, ohne ein Wort zu verlieren, bis fast an den Waldrand. Dort oben drehte sich Lina um und blickte über das Tal, in dem ihr Dorf lag, gegenüber, jenseits des Glans, verlief die Eisenbahnlinie, und dahinter erstreckte sich der Steinbruch wie eine klaffende Wunde, in den Berg geschlagen von unzähligen Arbeitern, wie ihr Vater einer gewesen war und so viele aus dem Dorf, weil ihnen das Land im Westrich keine andere Möglichkeit ließ. Feuerrot leuchtete der Himmel über dem Bergrücken. Es war so unwirklich, als blickten sie auf ein Gemälde. So unwirklich wie das, was Albert jetzt sagte.
„Sie erlauben es nicht.“
Es war wie Fallen. Fallen und keinen Halt mehr finden und darauf warten, dass man auf dem Boden in tausend Stücke zerbrach. Hier am Wald hatte alles angefangen, hier endete es also, während die Sonne den Himmel in Brand steckte.
„Ich habe ihnen alles gesagt. Dass du das Kind spürst und dass man es jetzt deutlich sehen kann. Dass es nicht den geringsten Zweifel gibt.“
Lina schluckte. Sie wollte es nicht hören und fragte trotzdem: „Und was haben sie dazu gesagt?“
Albert zögerte mit der Antwort. „Dass sie Zweifel haben, ob ich auch der Vater bin.“
Lina schnaubte jetzt genauso wie Jacob am Nachmittag.
„Ich habe ihnen gesagt, dass es absolut keinen Zweifel gibt, und dass nur ich der Vater sein kann. Dass ich der Vater bin“, betonte Albert. „Aber sie glauben es nicht.“
„Du meinst, sie wollen es nicht glauben“, korrigierte ihn Lina in ohnmächtiger Wut.
„Wahrscheinlich“, gab Albert zu. Todunglücklich sah er aus, untröstlich. Man wollte ihn in die Arme nehmen. Nur dass Lina, mitten im Fallen, dazu nicht in der Lage war.
„Und jetzt?“, fragte sie. Die Worte ihres Vaters dröhnten ihr im Ohr. Albert ist kein Mann, er hat kein Rückgrat, hat er noch nie gehabt.
„Ich weiß es nicht“, sagte Albert.
„Du weißt es nicht?“
Kein Rückgrat.
„Was soll ich denn machen?“
„Nach Altenglan gehen und das Aufgebot bestellen.“
„Sie haben es mir verboten, und ohne ihre Erlaubnis werden wir nicht getraut. Noch dazu haben sie mir gedroht, mich rauszuwerfen, verstehst du? Nicht nur enterben und alles, rauswerfen. Ich wäre vollkommen mittelos. Erledigt. Und verheiratet wären wir trotzdem nicht.“
Aber ich würde nicht allein dastehen, dachte Lina. Alle würden sehen, dass das Kind einen Vater hat, der sich zu ihm bekennt.
„Du könntest arbeiten, du bist Schmied“, sagte sie.
„Der größte Schmied weit und breit ist mein Vater, und jeder andere wird sich vorsehen, mir Arbeit zu geben, wenn er nicht vom Lehnert fertig gemacht werden will. Das hat er mir wortwörtlich so gesagt.“
„Du kannst woanders arbeiten“, kämpfte Lina weiter.
„Wo denn? Da drüben?“ Albert zeigte auf den Steinbruch. „Oder in der Kettenfabrik in Altenglan?“
„Warum nicht?“
„Keiner wird mir Arbeit geben, Lina, dafür wird meine Familie sorgen.“
„Was haben sie denn gegen mich?“, brach es verzweifelt aus ihr heraus. „Was hab ich ihnen denn getan, dass sie mich so hassen?“
Sie kannte die Antwort. Ihr Vater hatte ihr die brutale Wahrheit ins Gesicht gesagt. Lina war zu arm.
„Albert, wenn du mich nicht heiratest …“
Musste sie es erst aussprechen, was dann mit ihr passierte? Und mit ihrem Kind?
„Vielleicht überlegen sie es sich noch“, sagte er und starrte auf seine Schuhe.
„Und wenn nicht? Was machst du dann?“, fragte Lina. „Was machst du, wenn nicht?“
Die Sonne sank tiefer und tiefer. Albert schwieg. …

© 2023 *Barbara Leciejewski*

LESEPROBE

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